Tipps & Tricks: So lernen Sie einen Chor zu leiten

Interview
Chorleiter


1001 Tipps für Chorleiter hält Carsten Gerlitz in seinem neuen Buch „Popchor“ für Sie bereit. Wir haben den bekannten Chorleiter und Arrangeur für Sie gefragt: Wir wird man eigentlich Chorleiter und wie lernt man einen Chor zu leiten?

Unser Interviewpartner: Carsten Gerlitz

Carsten Gerlitz ist einer der bekanntesten Arrangeure, Komponisten und Chorleiter Deutschlands. Bereits 1985 gründete er den wohl ältesten Pop-Chor Deutschlands, The Happy Disharmonists, für den er den Berliner Kulturpreis Bonzo erhielt. In Workshops coacht er heute Chöre und Chorleiter gleichermaßen und auch als Autor gibt er Tipps, wie man lernt, einen Chor zu leiten.

Wie wird man Chorleiter?

Einen Chor leiten zu lernen ist „learning by doing“, sagt Carsten Gerlitz. Er erzählt: „Meine Disharmonists habe ich direkt nach dem Abi gegründet. Da habe ich das einfach gemacht: Chorproben leiten und auch das Arrangieren. Erst ein Jahr später habe ich es ‚ordentlich‘ an der Uni während des Musikstudiums gelernt.“

Wie er seinen Chor leitet, sehen Sie auf dem YouTube-Kanal von greenlandmusic, auf dem auch viele Videos wie dieses mit seinem Chor The Happy Disharmonists zu sehen sind. Er selbst sitzt im folgenden Video am Klavier:

Doch wie wird man nun Chorleiter? Begleiten, Stimmbildung, Arrangieren und Dirigieren – das alles lernt man nicht mal eben so. Vorausgesetzt ist eine grundlegende gute musikalische Ausbildung und natürlich ein Gefühl für die Musik.

Wie Carsten Gerlitz haben Sie die Möglichkeit, sich an der Universität im Rahmen des Musikstudiums als Chorleiter ausbilden zu lassen. Die Chorleitung gehört zum festen Bestandteil des Musikstudiums, auch für Kirchen- oder Schulmusiker. Dabei stehen Gesang und Musiktheorie ebenso auf dem Stundenplan wie die Begleitung des Chors oder das Dirigieren.

Aber auch wenn Sie nicht studieren wollen, haben Sie die Möglichkeit, sich fortbilden zu lassen, zum Beispiel wenn Sie einen Chor ehrenamtlich leiten. Chorverbände und Kirchen bieten dazu Fortbildungskurse an.

Wie lernt man, einen Chor zu leiten?

Sie wollen nicht gleich ein Musikstudium oder eine Fortbildung beginnen? Dann hat Carsten Gerlitz noch ein paar andere, praktische Tipps und Tricks für Sie, wie Sie einen Chor zu leiten lernen.

Erweitern Sie Ihren Methodenkoffer

Das Einsingen ist das A und O für einen guten Chor. Als Chorleiter sollten Sie daher immer ein paar passende Einsingübungen parat haben. Wir haben Carsten Gerlitz nach der absoluten Must-Have-Einsingübung gefragt. Seine Antwort: Die Flatterlippe. Auf YouTube kann man Michael Jackson über 15 Minuten bei dieser Übung zuhören. Sehr lustig! Das Brummen mit der Flatterlippe ist das perfekte Warm-up.“

Das bringt die Flatterlippe

  • Mit dem Flattern fällt es leichter, die Atmung zu kontrollieren oder Probleme bei der Atmung zu entdecken.
  • Mit dem Flattern können Sie das Singen in sehr hohen oder tiefen Lagen trainieren, ohne die Muskeln oder Stimmbänder zu sehr anzustrengen.
  • Die Flatterlippe entspannt und macht das Singen einfacher und freier.

So funktioniert die Flatterlippe

Mit den Lippen zu flattern klingt wie ein schnaubendes Pferd oder ein Moped. Wenn Sie es richtig machen, spüren Sie, wie Ihre Lippen vibrieren. Zuerst halten Sie das Geräusch, dann fügen Sie einen Ton hinzu. Variieren Sie höhere und tiefere Töne und halten Sie diese gleichmäßig. Wie das gelingt? Bleiben Sie locker und entspannen Sie die Mundregion. Atmen Sie in den Bauch und lassen Sie die Schultern locker hängen. Es kann auch hilfreich sein, die Lippen anzufeuchten.

Einsingen wie Michael Jackson

Wollen Sie Michael Jackson auch einmal beim Stimmtraining zuhören? Wirklich sehr faszinierend:

Übrigens: Flattern ist natürlich nicht die einzige Einsingübung. In dem Buch Popchor von Carsten Gerlitz finden Sie viele weitere praktische Tipps und Tricks für das Einsingen. Und auch in unserer Kategorie Einsingen für Chor werden Sie fündig.

Beobachten und lernen Sie, einen Chor zu leiten

Neben einem Koffer an Methoden und Techniken wie der Flatterlippe ist auch der Wille, sich stetig weiterzuentwickeln, für angehende und erfahrende Chorleiter entscheidend. Das gelingt vor allem durch Beobachtung, meint Carsten Gerlitz:

„Es ist sicher hilfreich, möglichst viele andere Chorleiter bei der Arbeit zu beobachten. Das reflektiert immer auch die eigene Arbeit und die eigenen didaktischen Wege und Ideen. Bei jedem Kollegen gibt es etwas, das man sich merken kann. So wächst der ganz eigene Bauchladen an Probewerkzeugen.“

Wer es gar nicht abwarten kann, seinen Methodenkoffer zu erweitern, der kann auch einmal die Videoreihe des Chorverbands Nordrhein-Westfalen e.V. zum Thema Stimmbildung ansehen. Hier zum Beispiel ein paar Tipps zur richtigen Atmung:

Übrigens: Auch in unserer Kategorie Chor: Stimmbildung & Intonation finden Sie eine Auswahl hilfreicher Ratgeber mit wertvollen Tipps für Chorleiter. Dort finden Sie unter anderem auch besondere Bücher mit pädagogisch durchdachten Übungen für Kinderchöre.

Finden Sie den Groove

Methodik ist nicht alles, wenn Sie einen Chor leiten: Spaß! Das ist das Wichtigste!“, findet Carsten Gerlitz. „Spaß an musikalischem Gestalten, an der Gruppenleitung, an dem Groove und der Dynamik, die solch eine Gruppe entfacht. Ich hatte immer den Wunsch, dass es gut klingen soll und den Leuten, die uns zuhören, auch Spaß machen sollte.“

Und wenn Chorleiter und Chor Spaß an dem haben, was sie tun, springt der Funke auch beim Publikum schnell über, wie der Chor des Cusanus Gymnasiums unter der Leitung von Michael Forg eindrucksvoll beweist. Den Song Happy Ending von Mika, den Sie auch in der Ausgabe Mika-Life In Cartoon Motion als Notenblätter finden, haben sie sehr schön in Szene gesetzt:

Lassen Sie sich coachen

Musikalisches Können und didaktisches Wissen sind nur ein kleiner Teil dessen, was ein Chorleiter mitbringen beziehungsweise lernen muss. Die Herausforderungen sind vielfältig:

„Als Chorleiter sollte man eine Menge Empathie mitbringen. Ist die Probe spannend? Gibt es einen toten Punkt? Sind die Sänger überfordert, müde, haben sie Spaß oder langweilen sie sich? Wie kann ich Bilder finden, die meine Ideen und Klangvorstellungen gut erklären? Welche Übungen kann ich fix für eine schwere Stelle entwickeln? Dazu kommt die Gruppendynamik und auch die Disziplin. Kommen immer alle? Und auch pünktlich? Ist genug Konzentration neben dem Spaß in der Probe möglich? Wer hat gerade welche persönlichen Baustellen zu bewerkeln? Und natürlich die ganze Planung und die Ideen für neue Programme und Projekte. Hilfreich ist es, sich immer wieder selbst zu hinterfragen und seine Arbeit und die Proben zu reflektieren.“

Gerade als Anfänger sollten Sie nicht alle Baustellen gleichzeitig angehen. Reflektieren Sie Ihre Arbeit und suchen Sie sich dann konkrete Bereiche heraus, an denen Sie arbeiten wollen. Hilfreich ist es auch immer, jemanden um konstruktives Feedback zu bitten. So wissen Sie, woran Sie noch arbeiten können und bekommen womöglich gleich ein paar praktische Tipps, die sich sofort umsetzen lassen.

Chorleiter Carsten Gerlitz: Ein Tipp in 140 Zeichen

Cover PopchorWir haben Carsten Gerlitz abschließend gefragt, ob er einen ultimativen Tipp für Chorleiter in nur 140 Zeichen hat. Denn seine Tipps in „Popchor – 1001 Tipps zur Chorleitung“ präsentiert er im „Zeitalter von Tweets und 140-Zeichen-Statements“ ebenso kurz, knapp und auf den Punkt.

Sein Tipp in (fast) 140 Zeichen:

Die Chorprobe muss Spaß machen! Der Leitung und den Sängern! Ich werbe für einen intelligenten, selbstbewussten Chor. Mut zu Ecken und Kanten, cooler Phrasierung und frechem Gesang!“

Noch mehr Tipps finden Sie in seinem Buch, das auch von Vocals on Air rezensiert wurde:

Entdecken Sie bei uns außerdem noch viele weitere Tipps für Chorleiter und wie Sie einen Chor zu leiten lernen.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Erfolg mit Ihrem Chor!


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