Arrangeur – ein aussterbender Musikberuf?

Interview
leeres Orchester

Teils Oscar-prämiert und dennoch oftmals unbekannt: Arrangeure. Ohne sie wäre so manches Stück wie die West Side Story nicht so erfolgreich geworden. Heute spielt dieser Musikberuf dagegen immer weniger eine Rolle. Aber wieso ist das so? Wir haben bei Arrangeur Thorsten Wszolek nachgefragt.

Beethoven, Bach oder Tschaikowski – diese berühmten Komponisten kennen Sie sicherlich. Doch kennen Sie auch einen bekannten Arrangeur? Bekannte Arrangeure bekamen sogar Preise wie den Oscar oder Grammy, zum Beispiel Sid Ramin und Irwin Kostal. Die beiden arrangierten das Musical West Side Story, das aus der Feder des Komponisten Leonard Bernstein stammt.

Aber was genau bedeutet das, wenn ein Stück arrangiert wird? Was macht ein Musikarrangeur? Und wieso werden Arrangeure heute kaum noch gebraucht? Wir haben Arrangeur Thorsten Wszolek gefragt.

Thorsten Wszolek
Thorsten WszolekArrangeur Thorsten Wszolek arrangiert seit 1991 Musikstücke für die unterschiedlichsten Auftraggeber wie den WDR oder SWR. So erarbeitete er zum Beispiel die komplette Neuinstrumentierung der bekannten Stücke My Fair Lady, Gigi, Brigadoon und Camelot des Komponisten Loewe.

Was ist ein Arrangeur?

Ein musikalischer Arrangeur ist ein Mitgestalter von Musikstücken. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Besetzung der Musikinstrumente und veredelt die Stücke klanglich. Sein Ziel ist es, die Werke für die Tonaufnahme oder Aufführung aufzubereiten. Dabei übernimmt er Aufgaben des Komponisten, Dirigenten oder Produzenten.

Was macht ein Arrangeur?

Die Aufgaben eines Arrangeurs sind vielfältig und unterscheiden sich von Auftrag zu Auftrag. Thorsten Wszolek über seinen Beruf:

„Wenn es ein bestehendes Orchester gibt, besteht die Aufgabe darin, mit den vorhandenen Instrumenten am besten das umzusetzen, was die Musikrichtung verlangt. Anders ist es bei Musicals oder Filmmusiken. Hier hat man als Arrangeur ein großes Mitspracherecht, welche Instrumente besetzt werden. Somit ist der Einfluss auf den Sound recht groß. Hierbei spielt die jeweilige Epoche eine wichtige Rolle. Zum Beispiel würde man für ein Werk, dass in die Epoche 30er-/40er-Jahre gehört, in jedem Fall Saxophone, gedämpftes Blech und Gitarre besetzen. Spielt das Stück eher im 19. Jahrhundert, benötigt man eher Instrumente des klassischen Sinfonie-Orchesters. Handelt es sich aber um Musik, die klingen soll wie in den 60er-/70er Jahren, so kommt man um E-Gitarren, E-Bass oder diverse Hammond-Orgelklänge nicht vorbei.“

Jazz Instrumente


Ein Arrangeur sollte Musikrichtung und Epoche bei seinem Arrangement beachten.

Heutzutage benutzt man meist moderne Sampling-Methoden und erstellt ein musikalisches Layout am Computer. Der klassische Beruf des Arrangeurs verliert dadurch mehr und mehr an Bedeutung. Sie agieren eher als Musikproduzenten, legen fest, welches Instrument zu welcher Zeit spielt und wie der Sound umgesetzt wird.

Was müssen Arrangeure können?

Da Arrangeure wahre Alleskönner sein sollten, müssen sie dementsprechend gut ausgebildet sein. An Musikschulen können Sie sich zum Beispiel ein breites musikalisches Wissen aneignen. Eine konkrete Ausbildung zum Arrangeur gibt es allerdings nicht.

Neben einem fundierten theoretischen Musikwissen ist laut Thorsten Wszolek vor allem Vorstellungskraft wichtig:

„Neben der Kenntnis der Tonumfänge und Machbarkeiten aller einzelnen Instrumente und wie sich deren Sounds mischen oder eben auch nichtist das Wichtigste die Vorstellungskraft, wie das fertige Lied am Ende klingen wird. Erst wenn man dies innerlich hört, kann man es zu Papier bringen.“

Wo arbeiten Arrangeure?

Bringen Sie ein breites musikalisches Wissen und Gespür für Musik mit, können Sie in vielen Bereichen als Arrangeur tätig sein. Thorsten Wszolek arbeitet zum Beispiel für große Rundfunksender. Es gibt allerdings noch viele weitere mögliche Auftraggeber für Arrangeure:

  • Komponisten
  • Konzertveranstalter
  • Musikproduktionsfirmen
  • Filmbranche
  • Radio

Der Beruf des Arrangeurs ist kein Vollzeitberuf. Viele Arrangeure arbeiten auf freiberuflicher Basis und üben nebenbei noch einen anderen Beruf aus. Thorsten Wszolek ist zum Beispiel neben seinem Hauptberuf als Arrangeur als Schauspieler, Dirigent oder auch Sänger an seinem Mund Art Theater tätig:

Wieso werden Arrangeure immer weniger wichtig?

Im Gespräch mit Thorsten Wszolek ist deutlich geworden: Arrangeure werden immer weniger gebraucht. Trotz guter musikalischer Ausbildung ist die Zukunftsaussicht durch die veränderte Medienlandschaft für Arrangeure eher düster, berichtet er:

„Ich (Jahrgang 1975) komme aus der Zeit, in der es noch die große Fernsehunterhaltung mit großen Orchestern in den Samstagabendshows gab. Im Londoner Westend und am Broadway wurden fortlaufend Shows produziert, deren Musik für Orchester mit ca. 20-35 Musikern arrangiert werden musste. Arrangeure waren echte Mangelware. Damit habe ich in meinen Anfangsjahren eine echte Hochkonjunktur gehabt, aber auch schleichend das Ende einer Ära erlebt. Heute gibt es diese Hörfunk- oder TV-Sendungen nicht mehr. Unterhaltungsorchester wie Hugo Strasser, Max Greger, Günter Norris, etc. sind auch gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Musical-Orchester bestehen teilweise nur noch aus 5-8 Mann. Der Rest wird dazu gespielt oder es sind ohnehin nur Keyboards. Sogenannte ‚Virtual Orchestras‘. Die großen weltweiten Sinfonie-Orchester spielen maßgeblich klassische Repertoires. Hierfür gibt es alle Noten zu kaufen.“

Das Video zeigt das Orchester von Hugo Strasser. Solche Fernsehorchester gibt es heute nicht mehr und damit auch weniger Aufträge für Arrangeure:

Sie spielen mit dem Gedanken, Arrangeur zu werden? Dann ist es ratsam, sich beruflich noch ein zweites Standbein aufbauen, zum Beispiel als Dirigent. So haben Sie auch bei schlechten Zukunftsaussichten und variierender Auftragslage ein sicheres Einkommen.

Arrangeure – wahre Alleskönner

Auch wenn die Ära der Arrangeure wohl vorbei ist, in der Vergangenheit waren Arrangeure sehr gefragt. So gibt es neben Sid Ramin und Irwin Kosta viele weitere bekannte Persönlichkeiten, ohne die manches Werk wohl nicht so bekannt geworden wäre.

Möchten Sie mehr über die Theorie des Arrangieren lernen? In unserer Rubik Arrangieren – Theoriebücher erfahren Sie mehr darüber. Oder wollen Sie sofort loslegen, ohne ein Stück arrangieren zu müssen? Dann durchstöbern Sie unsere Noten für Orchester oder Big Bands.


Bildnachweis: Titelbild © gettyimages/Sucek, Bild 1 © Thomas Wszolek, Bild 2 © gettyimages/cloudytronics.